Sonntag, 24. Oktober 2010

(Zeit)Reise nach Jerusalem

Abflug Israel: 11 Tage dauerte die Gruppenreise mit der Wiesbadener Marktkirchengemeinde ins „gelobte Land“ im Oktober 2010, davon 9 echte Rundreisetage. Dass sich Ulli und ich der uns bis dahin fremden Marktkirchengemeinde anschlossen, war von unserer Seite aus reiner Zufall.
In knapp vier Stunden von Frankfurt nach Tel Aviv, wo die 32-köpfige Reisegruppe in den frühen Morgenstunden im Hotel in Cäsarea eintraf. Reise nach Jerusalem: In wenigen Tagen durch viele Jahrtausende reisen - die Geheimnisse der heiligen Stätten zwischen Thora, Bibel und Koran.

Hier die kurze Skizzierung des Reiseverlaufs:
1. Tag: Tel Aviv, Cäsarea Maritim (Paulus Gefangenschaft), Berg Tabor, Tiberias am See Genezareth
2. Tag: Kapernaum, Jesus-Boot, Jordanquelle, Cäsarea Philippi, Berg der Seligpreisungen, Golanhöhen
3. Tag: Bootsfahrt auf dem See Genezareth, Akko (Kreuzritterhallen), Karmelberg, Drusendorf, Bahai-Tempel, Haifa, Nazareth
4. Qumran, Baden im Toten Meer, Massada (Felsenfestung von Herodes), Nimrod-Festung (Kreuzritterburg)
5. Tag: Kibbutz von Ben Gurion, Bethlehem (Mauer, Geburtskirche), Ölberg, Jerusalem (Altstadt)
6. Tag: Jerusalem (Tunnel Westtor), Via Dolorosa, Eröser- und Grabeskirche, Garten Gethsemane, Berg Zion, jüdisches Viertel
7. Tag: Jerusalem Neustadt, Mea Shearim, Knesset, Israel-Museum, Yad Vashem
8. Tag: Emmaus, Ashkelon, Yaffo, Tel Aviv (Stadtrundfahrt, Baden im Mittelmeer)
9. Tel Aviv (Diaspora-Museum, Stadtbesichtigung, Shopping)

Hier der Link zum Bericht des "Wiesbadener Tagblatt":
http://www.wiesbadener-tagblatt.de/region/wiesbaden/meldungen/9538041.htm

Die Rundreise zu den biblischen Orten im „Holy Land“ war zugleich auch eine Zeitreise. Rund 1.200 v. Chr. nahmen die Israeliten nach dem Auszug aus Ägypten das Land ein, 968 v. Chr. wurde von König Salomon in Jerusalem der erste Tempel gebaut, Herodes baute im Jahr 4 v. Chr. des zweiten Tempel, dann kam die Zeit Jesu, 1099 kamen die Kreuzritter nach Israel, 1948 die Staatsgründung - bis in die Gegenwart wurden rund 3.200 Jahre abgedeckt.

Nachfolgend kein Reisebericht – dafür gibt es ADAC-Reiseführer – sondern persönliche Anmerkungen zum „Heiligen Land“ und seinen Einwohnern:

1. Heilige Stätten
Die Lokalisierung der sog. Heiligen Stätten stellt sich oft schwierig dar, kompliziert und eher entmutigend, da sie nicht exakt zu finden sind. Alles ist wenig präzise. So präsentiert die Geburtskirche Jesu keinen Stall sondern eine Höhle und die Grabeskirche einen angefertigten Holzschrein, in den man absteigen muss, um einen Blick in eine kleine Gruft zu werfen. Der biblische Ort Emmaus wird mit vier Ortschaften in Verbindung gebracht. Nichts genaues weiss man nicht.

In Jerusalem findet man noch die Grundmauern des zweiten Tempels von Herodes, allerdings rund 18 Meter unter dem heutigen Niveau des Tempelberges. Die Klagemauer ist unten der obere Rand aus der Zeit Herodes, der die Steine in einer besonderen Art behauen ließ. Danach wurde immer wieder aufgestockt.
Es muss nicht unbedingt das "Jerusalem-Syndrom" sein, das manche Touristen befällt, aber vielleicht lag es an an der unpräzisen Lokalisierung, dass ich beim Besuch der "heiligen Stätten" nicht sonderlich berührt war.

2. Tourismus - die erste
In Israel sind April und Oktober die Hauptreisezeit, da es im Sommer viel zu heiß ist. Es fahren unzählige Reisebusse mit Touristen durch die Landschaft, überall sind die Busparkplätze überfüllt und an den heiligen Stätten herrscht oft unangenehmes Gedränge und Geschubse. In den Restaurants ist um die Mittagszeit kaum ein Platz zu finden. Eine sehr ernüchternde Erfahrung!
Touristen kaufen gerne Souvenirs. Diese gibt es in Israel an allen Ecken. Höhepunkt war eine Dornenkrone Jesu, die mit Echtheitszertifikat ausgeliefert wurde, das sich bei näherem Hinsehen allerdings aufs Olivenholz bezog.
Im Jerusalemer Souvenirladen "Mazel Tov" gab mir die Besitzerin beim Verlassen des Geschäfts noch eine Visitenkarte mit auf dem Weg. Folgender Text ist auf der Rückseite zu lesen:
Prayer for travelers
May it be your will Lord, our God and God of our fathers, to guide us in peace, to sustain us in peace and to bring us home in peace.
Save us from every enemy and disaster on the way and from all calamities that threaten the world.
Hear our supplication for you listen to prayer and supplication .
Praised are You, Lord, who hears prayers.


3. Tourismus - die zweite

Menschen aus aller Welt kommen nach Israel, um das Land Jesu zu sehen, riechen, schmecken und zu fühlen. Alle wollen die heiligen Stätten besichtigen. Man begegnet Reisegruppen aus: USA, Russland, Italien, Ghana, Spanien, Indien, Südafrika, Neu-Seeland. Man trifft Menschen aus der ganzen Welt mit denen man sich auf eine bestimmt Art gleich verbunden fühlt. Irgendwie unbeschreiblich, aber ein schönes Gefühl!

4. Immer unterwegs - on the road again
Bei der Israel-Rundreise ist das Busfahren die Hauptbeschäftigung. Die Orte liegen nicht immer auf einer Route und so kommen einige Kilometer und Stunden Fahrzeit zusammen. Wohl dem, der in einem modernen Reisebus unterwegs ist und nicht mit einer abgetakelten Kutsche. Auch wenn Israel nur ungefähr so groß ist wie Hessen, verbringt man viel Zeit im – hoffentlich klimatisierten – Bus. Deshalb geht es bereits morgens früh gegen 7.30/8 Uhr los, denn der Tag neigt sich bereits ab 17 Uhr und die nur kurze Dämmerung setzt um 17.30 Uhr den natürlichen Besichtigungsschlusspunkt.

5. Reisegruppe
Durch Busfahrten und Besichtigungen und Hotelunterkunft verbringt man viel Zeit mit der Reisegruppe – auf engstem Raum. Eine homogene Reisegruppe ist deshalb von Vorteil, gegenseitige Rücksichtnahme und Hilfe sind Pflicht, Ermahnung (Pünktlichkeit) an der Tagesordnung.
32 Personen waren bei unserer Reise eine gute Gruppengröße, die Glieder und Freunde der Marktkirche Wiesbaden waren schon nach kurzer Zeit eine harmonische Truppe.

6. Reiseführer
Jede Reisegruppe muss in Israel einen örtlichen Reiseführer buchen, einen Tourguide aus Israel. Mit seiner Person steht und fällt die Qualität der Reise: Charisma, Deutschkenntnisse, Fachwissen, Pädagogik, Motivation.

Unser Reiseführer Danny war 85 Jahre alt, in Deutschland geboren, kurz vor Kriegsbeginn nach Israel ausgewandert, Zeitzeuge der gesamten Geschichte des Staates Israel von 1948 bis heute, langjähriger Kibbutzbewohner, großes Charisma, eloquent in fließendem Deutsch mit rheinländischem Akzent, geistig und körperlich topfit – besser geht es nicht.
Wichtig sind auch die Bibelkenntnisse des (jüdischen) Guides, denn an vielen Stellen und Stätten wird aus der Bibel zitiert.

7. Wetter
Der ADAC-Reiseführer gab für Oktober Temperaturen im Bereich von 16 bis 26 Grad an. Vorgefunden haben wir einen Hitzestau mit 28 bis 38 Grad, dabei aber trocken, denn Israel ist ein Wüstenstaat (Juda, Negev).
Viel heiß bedeutet viel trinken, mindestens 2 Liter am Tag. Am Anfang und Ende jedes Stopps und jeder Besichtigung waren Toilettenbesuche Pflicht, was teilweise nervig war. Die Frage Nr. 1 lautete immer: „Wo sind die nächsten Toiletten?“ Einmal musste der Bus auf vielfachen Wunsch einer einzelnen Dame (Ulli) mitten in der Wüste anhalten.

8. Menschen
Die Juden sind ein Volk, dass in ihrer rund 4.000-jährigen Geschichte immer bedroht und verfolgt wurde und sich zeitlebens nach Frieden sehnt. In alle Welt zerstreut (Diaspora) hat es erst seit 14. Mai 1948 einen eigenen Lebensraum, den Staat Israel. Dort gibt es bis heute mehr Probleme als Lösungen – sowohl in der Innen- als auch in der Außenpolitik.
In der jüngeren Vergangenheit hat sich das Land enorm entwickelt, auch wegen seiner ausgeklügelten Bewässerungstechnik.
Die Israelis sind sehr aufgeschlossen und freundlich. Ressentiments gegen Deutsche aufgrund der gemeinsamen Vergangenheit habe ich nicht feststellen können. Mit einer Gruppe junger israelischer Soldaten/-innen hatten wir in Jerusalem eine sehr nette Begegnung. Nach einer fünfminütigen Unterhaltung mit dem Kommandanten fragte ich, ob die Möglichkeit zu einem Foto bestehe, was er fast glücklich bejahte. Die junge Rekrutin präsentierte sich unverhofft anschmiegsam - eine herzliche Begegnung, die abrupt endete, weil der Bus vorfuhr und alle schnell einsteigen mussten. Danke fürs Posieren!


9. Holocaust
Im Holocaust-Museum Yad Vashem schämt man sich als Deutscher und will sich am besten gar nicht zu erkennen geben. Es sind aber eher die anderen ausländischen Gruppen, die einen schräg anschauen – aus Ländern, wo Indianer oder Aborignies ausgerottet wurden oder die in ihrer Kolonialzeit ausgebeutet und gemordet haben. Wer mit dem Finger auf einen anderen zeigt, auf den zeigen zeitgleich drei andere Finger.
Damit soll der Holocaust nicht verharmlost werden! Die Ausstellung in Yad Vashem zielt nicht auf Schockzustände, sondern ist eine nüchterne Ausstellung mit vielen Originalstücken, -dokumenten und -filmen, die man in einem Tag nicht alle besehen kann.
Beim Rundgang ist man sehr bewegt, die Tränen stehen einem in den Augen bei soviel unfassbarem Leid. Danach ist man erstmal völlig bedient, tieftraurig, fassungslos!

10. Juden
Der Staat Israel basiert auf dem jüdischen Glauben. Die Juden haben als Grundlage die Thora (5 Bücher Mose aus dem Alten Testament) sowie den Talmud mit Kommentaren, Auslegungen und „Durchführungsbestimmungen“. Da sie nicht an Jesus als den im AT angekündigten Messias glauben, erwarten sie dessen Ankunft noch immer. Die ultra-orthodoxen Juden erkennen den bestehenden Staat Israel nicht an, weil sie glauben, dass dieser erst vom erwarteten Messias gegründet werden wird.

Es gibt ultra-orthodoxe, orthodoxe, religiöse und säkulare Juden. Ein besonderes wichtiger Glaubensschwerpunkt ist das Gesetz Mose, bestehend aus den 10 Geboten. Dazu kommen weitere mehr als 600 Gesetze, die es einzuhalten gilt, z. B. kosheres Essen. Wer das am besten schafft, steht vor Gott am besten da. Das gipfelt für Christen in einigen nicht nachvollziehbaren „Kuriositäten“:
- Am Sabbat (Samstag) werden in Hotels die Schuhputzmaschinen abgestellt, da Juden keine Maschinen in Bewegung setzen dürfen
- Sabbataufzug: Es ist verboten am Sabbat durch Knopfdruck den Aufzug in Bewegung zu setzen, deshalb wird er vom Hotel so eingestellt, dass er automatisch auf jedem Stockwerk hält – ohne Knopfdruck.

11. Selbsterlösung vs. Jesus
Niemand will den Juden verbieten, so zu leben, wie sie es für richtig halten. Das gebietet die Religionsfreiheit und die Toleranz gegenüber Andersgläubigen.
Doch als Christ drängt sich die Frage auf, ob Gott dieses Streben nach Gesetzestreue und
-erfüllung wirklich so wichtig ist. NEIN!
Christen wissen,
- dass uns Gott als seine Kinder angenommen hat (1. Joh 3,1) und uns liebt (1. Joh 4,16)
- dass uns Jesus durch die Liebe vom Gesetz befreit hat
- dass man sich Gottes Gunst nicht durch Werke/Taten verdienen kann bzw. muss
- dass man sich nicht seiner Taten/Werke rühmen soll, damit keiner versuche, besser dazustehen als der andere – alle Ehre gebührt Gott
- dass man sich nicht selbst erlösen kann, z. B. durch Werke/Taten sonst hätte Jesus nicht sein Leben für unsere Sünden geben und der Vater ihn nicht senden müssen (Joh 3,16)
- dass Jesus kam, um zu suchen und zu retten, was verloren ist
- dass allein Gottes Gnade genügt (2. Kor 12,9).

Jesus selbst hat in der Bibel gesagt:
„Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, kein Weg führt zum Vater ausser durch mich.“
oder
„Wer den Sohn hat, hat das Leben – wer den Sohn nicht hat, hat das Leben nicht.“


Fazit: Alle Versuche der Selbsterlösung können eingestellt werden – auch in Israel. Denn wir sind bereits erlöst durch Jesu Kreuzestod. Wir müssen Ihn nur als unseren persönlichen Erlöser annehmen. Dazu braucht es Bekenntnis und Hingabe. Gott hat uns gerettet durch Jesus, damit wir frei sind. Freiheit ist die Bestimmung der Kinder Gottes! Er wartet mit offenen Armen auf alle Menschen.

12. Mission in Israel
Vor dem Hintergrund von Punkt 11. freute es mich ganz besonders als ich von einer kleinen Gruppe Menschen auf der Haupteinkaufsstrasse von Tel Aviv angesprochen wurde, weil mich die zwei Finnen und ihre israelische Freundin mit Jesus bekannt machen wollten. Sie gaben mir einen Flyer der Organisation yeshua4u.co.il, den ich leider nicht lesen konnte, da dieser zielgruppengerecht auf hebräisch verfasst war.


Die Situation war schnell geklärt und ich wünschte den engagierten und freundlichen „Missionaren im Holy Land“ viel Erfolg und Gottes Segen. Gerade Israel braucht Jesus! Denn der Preis für die Erlösung der Menschheit ("Lösegeld") ist bereits voll bezahlt.

Alles hat ein Ende: Am elften Tag ging unser Rückflug schon morgens um vier Uhr. Gegen Mitternacht verließen wir das Hotel und unterzogen und am Flughafen Tel Aviv einer zweistüngigen Sicherheitskontrolle. Die Nerven lagen blank: Zuerst unzählige Fragen zu Reise und Gepäck beantworten, dann Koffer durchleuchten, dann wieder Fragen zum Gepäckinhalt beantworten, dann Koffer ausräumen und wieder einräumen!
Im Flieger kein Auge zugemacht, weil nur geschnieft, genossen, geschneuzt und gehustet wurde. Anscheinend haben die "Deutsche Leute", so der palästinensische Guide in Bethlehem, die kalte Klimaanlagen-Luft nicht vertragen und sich den Duft geholt.
Morgens 8.30 Uhr müde Ankunft in Frankfurt. Temperatursturz: Reise durch die Nacht und wenn man endlich schlaflos ankommt ist es saukalt - von 36 nach 6 Grad. Dafür im Gepäck viele warme Gedanken und Erinnerungen ans "Holy Land" – und einen Ohrwurm: das Lied „Hevenu shalom aleichem“, was soviel bedeutet wie: "Wir wollen Frieden für alle" (http://www.youtube.com/watch?v=uctHC15iii8).

Shalom!