Mittwoch, 28. August 2013

Menschenfurcht: Allen Menschen recht getan...

.
Ein Mann reitet auf seinem Esel nach Haus und lässt seinen Buben zu Fuß nebenher laufen. Kommt ein Wanderer und sagt: "Das ist nicht recht, Vater, dass Ihr reitet und lasst Euern Sohn laufen; Ihr habt stärkere Glieder." Da stieg der Vater vom Esel herab und ließ den Sohn reiten.

Kommt wieder ein Wandersmann und sagt: "Das ist nicht recht, Bursche, dass du reitest und lässest Deinen Vater zu Fuß gehen. Du hast jüngere Beine." Da saßen beide auf und ritten eine Strecke.

Kommt ein dritter Wandersmann und sagt: "Was ist das für ein Unverstand, zwei Kerle auf einem schwachen Tiere? Sollte man nicht einen Stock nehmen und Euch beide hinabjagen?" Da stiegen beide ab und gingen selbdritt zu Fuß, rechts und links der Vater und Sohn und in der Mitte der Esel.

Kommt ein vierter Wandersmann und sagt: "Ihr seid drei kuriose Gesellen. Ist's nicht genug, wenn zwei zu Fuß gehen? Geht's nicht leichter, wenn einer von Euch reitet?" Da band der Vater dem Esel die vordern Beine zusammen, und der Sohn band ihm die hintern Beine zusammen, zogen einen starken Baumpfahl durch, der an der Straße stand, und trugen den Esel auf der Achsel heim.

So weit kann's kommen, wenn man es allen Leuten will recht machen.

Geschichte "Seltsamer Spazierritt" von Johann Peter Hebel (aus Poetische Werke. München 1961, S. 103-104)


Fazit:
Allen Menschen recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann. Warum versuchen wir es dann immer wieder, anderen Menschen recht zu machen?

Der Grund und die Triebfeder für diese Motivation nennt sich "Menschenfurcht". Wir haben Angst vor der Meinung und der Kritik anderer, weil wir nicht genug Selbstwertgefühl haben. Deshalb ist uns die Meinung anderer wichtiger als unsere eigene.

You can't be everybody's darling! Egal, welche Entscheidung man trifft, es wird immer jemanden geben, dem sie nicht passt und der deswegen rumnörgelt. Darauf kann man sich im vorhinein einstellen, damit man am Ende nicht selbst "der Dumme" ist.

Zur Ergänzung die Weisheit einer jüdischen Erzählung:
"Ein Rabbi, der das Gesetz gut kannte, hörte erst die eine Partei und sagte: ,Da hast du ganz recht´. Dann hörte er die andere Partei und sagte: ,Du hast auch ganz recht´. Da sagte der Freund des Rabbi, der nie von seiner Seite wich: ,Du kannst doch nicht beiden Parteien Recht geben!´. - ,Da hast du auch ganz recht´, sagte der Rabbi." 
Ob der Rabbi aber damit alle Eseleien beenden konnte?

Es bleibt dabei:
"Allen Leuten recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann".
Ich denke, diese "Kunst" kann man nicht erlernen und muss man auch nicht...


Menschenfurcht bringt zu Fall; wer sich aber auf den Herrn verlässt, wird beschützt.
Sprüche 29,25


"Vor den Menschen brauchst du keine Angst zu haben, denn ich werde immer bei dir sein und dich retten. Das verspreche ich, der Herr."
Jeremia 1,8
.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.