Die Frankfurter Commerzbank-Arena ist gut gefüllt: Rund 30.000 Fußballfans fiebern lautstark dem Anstoß entgegen. Wo sonst die Kicker von Eintracht Frankfurt und die Kollegen aus der 1. Bundesliga über den grünen Rasen laufen, passiert hier gar nichts. Die Spielfläche bleibt menschenleer, denn es findet kein Fußballspiel statt. Zumindest nicht auf dem Grün. Gekickt wird auf dem Video-Würfel und auf einer Großleinwand, denn es findet Public Viewing (PV) der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 statt - live aus Südafrika. Das ehemalige Waldstadion lädt ein zum größten Public Viewing in Hessen.
Während das PV - massenhaftes öffentliches Fernsehgucken - bei der WM 2006 in Deutschland richtig aufkam, wird es bei dieser WM perfektioniert. Überall schießen die Standorte und Angebote aus dem Boden. Fast jeder Supermarkt überträgt die Spiele, um Kunden zu binden. PV ist zum festen Bestandteil der Alltagskultur geworden, die sich auf weitere "Spielstätten" ausweitet. Selbst die evangelische Gemeinde meines kleinen Ortes hat sich engagiert und einen WM-Garten eröffnet, der alle deutschen Spiele und das Finale zeigen will: "Stadionatmosphäre rund um den Kirchturm!" Nicht zu verwechseln mit dem "Garten Eden", wo es seinerzeit weder Fußball noch PV gab. Auch keine Gedanken an "Kundenbindung", denn der "Chef" betreute hier noch seine Schäfchen persönlich.
WM-Garten an der Johanneskirche in Niedernhausen-Niederseelbach: Stadionatmosphäre rund um den Kirchturm...
Ein Frankfurter Sportforscher hat nun interessante Ergebnisse zur WM und zum PV veröffentlicht. Der Sportsoziologe Prof. Robert Gugutzer zum PV-Trend: „Diese Massenveranstaltungen zeigen, dass bei aller Individualisierung des sozialen Lebens die Menschen offenkundig weiterhin ein Bedürfnis nach Gemeinschaft und kollektiver Zugehörigkeit haben.“ Demnach wird die WM 2010 als quasireligiöses Fest eingestuft.
Gugutzer hat beobachtet: Wo traditionelle Bindungen der Großgruppen zerfallen, suchen sich die Menschen neue, alternative Gemeinschaften. An die Stelle von Verwandtschaft, Nachbarschaft, Dorfgemeinschaft oder großen Kirchenreligionen treten selbstgewählte „posttraditionale Gemeinschaften“, in und mit denen die Menschen etwas erleben wollen. „PV ist eine harmlose Möglichkeit, die Identifikation mit einem Kollektiv, etwa der eigenen Nation, lustvoll, kreativ und mit Spaß zum Ausdruck zu bringen.“ So lässt sich auch das neue schwarz-rot-goldene "Nationalgefühl" erklären, das eigentlich vielmehr eine oberflächliche Partylaune und Event-Lust darstellt, visualisiert durch lustige Fähnchen, Hüte, Schminke und Dekoartikel aller Art für Heim und Auto. Eine vorübergehende Gegenwelt zur alltäglichen Routine.
Public Viewing: Da sind wir dabei, das ist prima...
Die Sehnsucht nach Gemeinschaftserlebnissen (PV) und kollektiv geteilten Emotionen (Fähnchen), zu denen „Events“ wie PV gehören, speist sich aus dem Frust über die immer gleichen, auferlegten Anstrengungen des Alltags. Denn damit verbunden sind Stress und nicht selten Langeweile: „Wer die täglichen Routinen als wenig spannend erlebt, der möchte ausbrechen, sich eine Gegenwelt zum Alltag schaffen.“ Soziologen beschreiben dies als „Festivalisierung der postmodernen Alltagskultur“. Männer wie Frauen, Junge wie Alte, Angehörige sozialer Unter- wie Oberschichten, die ganze Gesellschaft hat Teil an diesen sozial schrankenlosen Festen. Jeder kann sich ungestraft zwischen dem 11. Juni und dem 11. Juli zum Clown machen.
Hallo, Herr Nachbar - fast nicht erkannt: WM = Ausnahmezustand...
Wo religiöse Feste nicht mehr für den Kitt der Gesellschaft sorgen, sichern säkulare Feste ein Wir-Gefühl. Der Sportsoziologe erklärt: „Public Viewing ist eine außeralltägliche, zeitlich und räumlich begrenzte Sonderwelt mit quasi-religiösem Charakter. Gemeinsam wird zum Versammlungsort prozessiert, werden religionsähnliche Symbole gezeigt, Reliquien getragen, Rituale praktiziert, Gesänge angestimmt und auf ein ekstatisches, gar transzendentes Aufgehen in der Masse gehofft.“ Der Gott, zu dessen Ehren dieses Sportfest abgehalten werde, sei weniger ein einzelner Fußballer oder der Fußballsport selbst. „Vielmehr ist es ein individualisierter Gott - das eigene Ich - das hier massenhaft zelebriert wird.“
So erklärt es sich auch, dass PV eine große Party ist, zu der auch Menschen kommen, die von Fußball nichts verstehen, aber Lust auf eine Auszeit vom Alltag, Lust auf Party, Lust auf Event haben – „und dabei am liebsten ihren eigenen Gott feiern: sich selbst“, ergänzt Gugutzer. So erklärt sich 2006 wie heute der immens große Frauenanteil der derzeitigen Fußball-Euphorie, der signifikant höher liegt als der Frauenanteil der Zuschauer im Durchschnitt einer Bundesligasaison.
Bei Selbstinszenierungen wird das ICH gefeiert - auch barbusig, wenn's sein muss...
In diesem Sinne: Gehet hin in Frieden - auch zum PV. Aber bitte nicht vergessen, dass unser Schöpfergott kein Fußballgott ist, der im Stadion wohnt. Auch nicht beim PV oder in menschengemachten Kirchengebäuden. Er wohnt im Himmel und liebt jeden Erdenbürger, Fußballer und Fußballfan unendlich, grenzen- und bedingungslos (1. Johannes 4,10-17). Nichts kann uns von seiner Liebe trennen (Römer 8,38-39), denn Er ist die Liebe in Person (1. Johannes 4,8 & 4,16). Gott liebt die Welt so sehr, dass er seinen einzigen Sohn auf die Erde gesandt und für uns hingegeben hat, damit jeder der an Jesus glaubt, nicht verloren geht, sondern gerettet und ewiges Leben haben wird (Johannes 3,16 & 1. Johannes 4,9).
Glauben Sie an den "Fußballgott" oder an den wahren Gott, der Himmel und Erde geschaffen hat? Unser Gott hat nichts gegen Fußball, WM, PV oder andere Vergnügungen. Er möchte nur, dass wir die richtigen Prioritäten setzen und Ihn über alles stellen, statt hintenan. Alles Gute kommt von Ihm - auch die Freude über die "schönste Nebensache der Welt". Vertrauen Sie sich dem himmlischen Vater an, Er wartet auf Sie (Lukas 15, 11-32).
Gott ist nur ein Gebet weit entfernt!
Dienstag, 15. Juni 2010
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